GEB KITA Radolfzell | Offener Brief an Stadtverwaltung und Gemeinderat vom 12. Februar 2016
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Offener Brief an Stadtverwaltung und Gemeinderat vom 12. Februar 2016

Sehr geehrter Herr Staab,
Sehr geehrte Frau Laule,
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates,

im „Hallo Radolfzell“ vom 17. Dezember 2015 schreiben Herr Staab und Frau Laule folgende Sätze: „Notwendig sind für 2016 aber die Erhöhung der Baugenehmigung- sowie die Kita-Gebühren. Es können nicht alle Lasten aus Bildung und Erziehung der Allgemeinheit über die Grundsteuer B auferlegt werden.“ (Seite 6) Jetzt, da die Verwaltung den Auftrag hat zu berechnen, wie eine Erhöhung der Kinderbetreuungs-Gebühren aussehen könnte, wenden wir uns als Vertreter aller betroffenen Eltern im Vorfeld einer möglichen Erhöhung an Sie und legen Ihnen unsere Position und unseren Protest dar.

Wir leben gern hier!

Wir Radolfzeller Eltern leben sehr gern in dieser Stadt, die sich selbst ja auch immer wieder gern als „familienfreundlich“ bezeichnet. Wir leben und arbeiten hier, wir konsumieren hier in Gastronomie und Einzelhandel. Wir wollen arbeiten, und geben unsere Kinder deshalb in die Betreuung. Diese Betreuung bezahlen wir direkt durch die Kinderbetreuungsgebühren. Dadurch, dass wir arbeiten gehen, erhält der Staat zusätzlich von uns noch Steuern und Abgaben. Ein Teil unserer Lohnsteuer (mehrere hundert Euro pro erwerbstätigem Elternteil pro Jahr) fließt direkt in die Gemeindekasse von Radolfzell. Wir als GEB Kita vertreten die Eltern von ca. 1200 Kindern in 25 Einrichtungen.

Man könnte also sagen:
Wir Eltern zahlen Betreuungsgebühren dafür, dass wir Steuern zahlen dürfen.

Vor allem junge Familien werden in Radolfzell sesshaft, kaufen hier Immobilien, bauen mit lokalen Handwerkern und zahlen wieder Steuern (Grunderwerbsteuer, Grundsteuer).

Was wir damit sagen wollen:

Wir Eltern lassen in dieser Stadt sehr viel Geld und unterstützen damit, mit ehrenamtlichem Engagement und durch die von uns gezahlten Steuern die Allgemeinheit in hohem Maße.

Wir leben in Deutschland in einem Sozialstaat, das heißt: Alle zahlen Steuern, damit der Staat Aufgaben übernehmen kann, die im Interesse der Allgemeinheit sind. „Kinder sind unsere Zukunft“ – diesen Satz spricht wahrscheinlich jeder Politiker in irgendeiner Rede mal aus. Daher verstehen wir es als einen Schlag ins Gesicht, wenn Sie schreiben, dass die Allgemeinheit nicht in höherem Maße an den Kosten für Bildung und Erziehung beteiligt werden kann.

Was die Allgemeinheit anscheinend ohne Diskussion finanzieren kann:

  • Die Seetorquerung. Gegen die Seetorquerung hat sich beim Bürgerentscheid die Mehrheit der Wähler ausgesprochen. Trotzdem soll sie gebaut werden – sowohl mit Fördergeldern von Land und Bahn, aber eben doch auch mit viel Radolfzeller Geld. Warum ist dies der Allgemeinheit zuzumuten, und warum muss hier nicht z.B. der angeblich profitierende Handel höhere Gebühren zahlen?
  • Die Mettnau-Kur. Auch hier könnte man den Handel wegen des verstärkten Konsums der Kurgäste an den Kosten beteiligen.
  • Die Einrichtung bzw. der Neubau einer Gemeinschaftsschule. Hierfür dürfen von den Eltern keine Gebühren erhoben werden; also zahlt die Allgemeinheit selbstverständlich.
  • Straßen werden auch von Fußgängern, der ÖPNV auch von Autofahrern finanziert.
  • Die Parkgebühren in Radolfzell wurden nicht erhöht, weil man den Bürgern „nicht einfach so in die Tasche greifen“ will (SÜDKURIER vom 18. Dezember 2015) – aber damit greift man doch nur den Autofahrern, die dort parken, in die Tasche.


Hintergrund der geplanten Kostensteigerung

Der KVJS empfiehlt einen Grad der Kostendeckung der Kinderbetreuung durch Elterngebühren von 20%, Radolfzell liegt derzeit bei ca. 14,5%. Vor einer Abstimmung verlangen wir, den Gemeinderäten und der Öffentlichkeit die Aufschlüsselung der Kosten für die Kinderbetreuung in Radolfzell transparent zu machen:

  • Wie schlüsseln sich die Kosten auf? (Neubau von Einrichtungen, Unterhalt von Gebäuden, Personalkosten, Verwaltungskosten)
  • Wie hoch ist der Anteil an Fördergeldern von Land und Bund für die Kinderbetreuung? Schöpft Radolfzell hier alle Fördermöglichkeiten voll aus?
  • Wie sieht der Kostendeckungsgrad in benachbarten Städten und Gemeinden aus – vor allem in den Kommunen, wo die Elternbeiträge teilweise deutlich niedriger sind?

Zweite Gebührenerhöhung in zwei Jahren

Im September 2015, also gerade einmal vor 1,5 Jahren, hatten wir bereits eine Gebührenänderung – mit teilweise massiven Kostensteigerungen von über 50€ im Monat, das entsprach in einzelnen Konstellationen für Familien Kostensteigerungen von bis zu 26%. Dies wurde im Vorfeld weder der Öffentlichkeit noch Ihnen, liebe Gemeinderäte, transparent gemacht.

Wissen Sie, dass bereits jetzt ein Ganztagskrippenplatz inklusive Essen fast 500€ im Monat kostet (für eine Familie mit einem Kind)? Wollen Sie diese Kosten wirklich noch erhöhen? In anderen Städten Deutschlands ist der Besuch der Betreuungseinrichtungen ganz oder teilweise kostenlos.
Wirklich familienfreundlich und ein starkes politisches Signal an Familien und kommende Generationen wäre eine Absenkung der Gebühren!

Denn auch bei steigenden Betriebskosten und neuen Tarifabschlüssen wäre es Aufgabe der Stadt Radolfzell und auch insbesondere der Allgemeinheit, Kinder und Familien durch eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung zu der Familiensituation angemessenen Kosten zu unterstützen, damit Radolfzell auch wirklich das ist, als was es sich bei feierlichen Anlässen gern selbst bezeichnet: familienfreundlich.

Mit freundlichen Grüßen
im Namen aller Radolfzeller Eltern mit Kindern in Betreuungseinrichtungen

Susanne Pantel
Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Kindertageseinrichtungen der Stadt Radolfzell