GEB KITA Radolfzell | Stellungnahme des GEB Kita zum Haushaltsentwurf 2020
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Stellungnahme des GEB Kita zum Haushaltsentwurf 2020

Radolfzell, den 17. Januar 2020

Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte,

der Gesamtelternbeirat der Kindertageseinrichtungen setzt sich seit seiner Entstehung für die Interessen aller Kinder ein, die in Tageseinrichtungen der Stadt Radolfzell betreut werden. Die Kindertagesbetreuung gehört zu einem hochwertigen Bildungsangebot und ist ein wichtiger Baustein zu einer familienfreundlichen und attraktiven Stadt. Die Kindertagesbetreuung der Stadt gliedert sich konkret in drei Bereiche:

  1. Betreuung der Kinder von 0-3 Jahren,
  2. Betreuung der Kinder von 3-6 Jahren,
  3. Betreuung der Grundschulkinder in der „Kinderzeit“.

Um Ihnen die aktuelle Situation und die bestehenden Herausforderungen noch vor der Haushaltsberatung deutlich zu machen, haben wir hier die wesentlichen Aspekte nochmals für Sie zusammengefasst. Gern steht der Gesamtelternbeirat der Kindertagesstätten für Gespräche und weitere Informationen zur Verfügung.

  • Betreuung der Kinder von 0-3 Jahren

Jedes Kind hat ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, unabhängig von der familiären Situation. Berufstätigkeit von Eltern sollte also bei der Vergabe der Plätze keine Rolle spielen. Die Anmeldung zu einem Betreuungsplatz läuft in Radolfzell über ein System der zentralen Vormerkung. Hier müssen Eltern drei priorisierte Einrichtungen für ihr Kind auswählen, die weiteren Einrichtungen werden dann nicht bei der Vormerkung berücksichtigt. Grundsätzlich haben die Familien keinen Anspruch auf ihre Wunscheinrichtung. Eltern können nur bedingt nach Wohnortnähe, bedarfsorientierten Betreuungszeiten sowie pädagogischem Konzept wählen, da es zur Zeit kaum ausreichend Krippenplätze gibt. Eine solche Wahlmöglichkeit ist für Eltern aber wichtig und entspricht der Notwendigkeit moderner Familien, um Planungssicherheit, notwendige Betreuungszeiten und zu Kind und Familie passende Bildungsformen zu gewährleisten. Laut der Aussage von Anette Hemmie vom Herbst 2019 konnten fast alle Krippenkinder einen Platz erhalten. Freie Wahlmöglichkeit haben Eltern dabei aber nicht.

Kinderbetreuung der Zweijährigen

Für Kinder im Alter von zwei Jahren ist es in Radolfzell zur Zeit schwierig, einen Kindergartenplatz zu erhalten. Die Krippenplätze sind bereits von jüngeren Kindern belegt, die Kindergärten von älteren. In  Kindergartengruppen belegen Zweijährige Kinder im Vergleich zu über 3-jähringen Kindern rechnerisch zwei Plätze, da sie einen anderen Betreuungsschlüssel haben. In Radolfzell gibt es daher die Tendenz, dass Eltern ihre Kinder bereits früher, als sie eigentlich wollen, in einer Einrichtung anmelden, um dann mit 3 Jahren einen Platz zu erhalten, weil die Einrichtungen Kinder bevorzugen, die bereits eine Einrichtung besuchen.

  • Betreuung der Kinder von 3-6 Jahren

Kinder ab 3 Jahren haben einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. In Radolfzell besuchen 96% eines Jahrgangs einen Kindergarten. Zur Zeit sind allerdings 90 Kinder ohne Kindergartenplatz (im Alter von 3-6 Jahren). Hier kommen mehrere Faktoren zusammen: In den letzten Jahren wurden Halbtagsplätze in verlängerte Öffnungszeiten-Plätze oder Ganztagsplätze umgewandelt. Durch die hiermit verbundenen Änderungen der Betreuungsschlüssel fielen in der Summe Plätze weg, die offenkundig nicht ausgeglichen wurden. Insgesamt wurden zu wenige neue oder größere Einrichtungen gebaut bzw. bestehende erweitert. Der Einschulungsstichtag wird nach vorne verlegt. Dadurch bleiben die Stichtagskinder auch noch ein Jahr länger in den Einrichtungen und der Mangel an Plätzen verschärft sich weiter. Wichtig ist hier, eine zügige und hochwertige Umsetzung der geplanten Neubauten und Erweiterungen im Bereich der Kindertageseinrichtungen.

Die Arbeitssituation in den Einrichtungen

In der Vergangenheit waren einige Einrichtungen laut Frau Hemmie „überbelegt“. Notplätze gibt es aktuell in Radolfzell nicht mehr. Grundsätzlich bewegt sich die Stadt Radolfzell mit ihrem Betreuungsschlüssel lediglich am Mindeststandard des KVJS. Um die Qualität in den Einrichtungen zu steigern, gutes Personal zu halten sowie als Arbeitgeber attraktiv zu sein, müssen die Arbeitsbedingungen der ErzieherInnen verbessert werden. Es ist wichtig, in sehr gute Arbeitsbedingungen und in gute Mitarbeiterbindung und -motivation zu investieren. Wir haben in der Stadt Radolfzell nicht nur ein Rekrutierungsproblem in Zeiten des Fachkräftemangels, sondern auch ein Kündigungsproblem. Folgendes wäre wünschenswert: attraktive Stellenanzeigen, schnelle Bearbeitung von Bewerbungen, Einstellung ausschließlich von Fachkräften, Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen, regelmäßige Fachberatung und Evaluation aller Einrichtungen, Verbesserung des Betreuungsschlüssels, einheitlich fünf Fortbildungstage, ein Krankheits- und Vertretungskonzept, gute Bindung der MitarbeiterInnen an den Träger durch inhaltliche Arbeit von sehr hoher Qualität, pädagogische Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen wie thematische, einrichtungsübergreifende, evtl. trägerübergreifende, themenorientierte Fachgremien, Einarbeitungskonzept für neue MitarbeiterInnen, Austausch der Auszubildenden, Zusatzqualifikationen für Leitungen bzw. interne Qualifikation von zukünftigen Leitungen oder Aufbau eines Leitungspools, multiprofessionelle Teams mit Zukunftsperspektiven für die MitarbeiterInnen, die Zusatzqualifikation „Fachwirt für Organisation und Führung“ oder eine vergleichbare Zusatzqualifikation als Voraussetzung für die Besetzung der Leitungsstellen, ein Stipendium für diese oder andere Zusatzqualifikationen, Dienstwohnungen, Anreize wie Sportprogramme und/oder andere finanzielle oder sachliche Unterstützung. Das Gute-Kita-Gesetz unterstützt in Baden-Württemberg die Leitungsfreistellung, welche die Stadt Radolfzell bereits umgesetzt hat. In welche Bereiche also die zusätzlichen Gelder fließen, ist derzeit noch unbekannt.

Die freien Träger

Die freien Träger leisten in der Stadt einen sehr großen Beitrag dazu, dass die Stadt Radolfzell ihren Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz erfüllen kann. Von 26 Kinderbetreuungseinrichtungen werden 15 von 10 verschiedenen freien Trägern geführt. Daher unterstützen wir die Forderung des Montessori-Vereins, die kleineren freien Träger mit 100% der Personal- und Betriebskosten zu unterstützen, um auch hier zu gewährleisten, dass die Betreuung stattfindet und das Qualitätsniveau hoch bleibt.

  • Betreuung der Grundschulkinder in der „Kinderzeit“

Der Gemeinderat hat eine Neuordnung der Gebühren und Zeiten in der Grundschulbetreuung beschlossen. Aktuell werden ca. 500 Grundschulkinder an allen Grundschulen sowie der Hausherrenschule vor und nach dem Unterricht betreut. An allen Schulen ist – ab fünf Anmeldungen – eine Betreuung von 7.00 Uhr bis 18.30 Uhr möglich. Aktuell findet eine Betreuung bis 18.30 Uhr an der Tegginger Schule und an der Ratoldusschule statt.

Grundschulbetreuung ist in der heutigen Zeit eine zeitgemäße und für Familien notwendige Betreuungsform – sie muss daher als ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot praktiziert werden.
Hier ist es daher nötig, nun endlich in die Kinderzeit zu investieren, denn nach der Schließung des Hortes (Beschluss im Dezember 2015 durch den GR) wurde uns von der Stadt ein „hort-adäquates Bildungsangebot“ versprochen. Das ist die Kinderzeit aktuell nicht. Zudem kommt voraussichtlich ab dem Jahr 2025 ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in der Grundschule. Daher wäre es wichtig, bereits vor dem Inkrafttreten dieses weiteren Rechtsanspruchs ein funktionierendes, hochwertiges und bedarfsorientiertes Betreuungssystem aufzubauen. Wir Eltern haben bei der Neuordnung der Zeiten und Preise Anregungen und Kritik eingebracht. Von Seiten der Stadt war ursprünglich geplant, neben den Rahmenbedingungen auch eine inhaltliche Neuausrichtung vorzunehmen. Dies ist bis heute nicht geschehen. Konkret brauchen wir endlich folgendes:

  • Die Stadt Radolfzell muss die Kinderzeit als Bildungsangebot verstehen – in einem Gesamtkontext eines Bildungsbegriffs für alle Radolfzeller Kinder und Jugendlichen von 0-18 Jahren: Krippe und Kindergarten / Kita, Kinderzeit in der Grundschule, weiterführende Schulen und weitere Institutionen und Vereine
  • Die Kinderzeit muss ein Bildungsangebot sein, dass sich an den Vorgaben von vorschulischer Bildung (Orientierungsplan) und schulischer Bildung (Bildungspläne) orientiert.
  • Aus der Perspektive der Eltern ist die Kinderzeit als Betreuung ein „Hort an der Schule“ (lange Betreuungszeiten, Hausaufgaben, warmes Mittagessen). Aus unserer Sicht sind hierfür die KVJS-Standards (pädagogisches Konzept, Raumkonzept, Fachkraft-Schlüssel) anzulegen und eine Betriebserlaubnis vorzulegen.
  • Vereinbart wurde vom Gemeinderat ein Betreuungsschlüssel von 2:20. Aktuell wird vermutlich eher ein Schlüssel von 1:20 umgesetzt.
  • Als Bildungsangebot braucht die Kinderzeit pädagogisches Fachpersonal, mindestens ErzieherInnen oder gleichwertig ausgebildete Fachkräfte. Eine Mindestausbildung von 160 Stunden (die zudem nachträglich, nach Antritt der Stelle teilweise erst begonnen wird), qualifiziert die Mitarbeitenden zu pädagogischen Hilfskräften, nicht zu pädagogischen Fachkräften und reicht aus unserer Sicht nicht aus, um die Betreuung und ein pädagogisches Konzept verlässlich umzusetzen.
  • Die Stadt muss die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte (also die Erzieherinnen und Erzieher), entsprechend ihrer pädagogischen Arbeit angemessen bezahlen. Für Leitungsaufgaben benötigen die Mitarbeitenden eine entsprechende Eingruppierung und Leitungsfreistellung für Verwaltung und Organisation. Alle pädagogischen Mitarbeitenden benötigen Verfügungszeiten.
  • Die Raumsituation in allen Grundschulen ist unangemessen. Die Stadt Radolfzell als Träger muss dafür sorgen, dass schnellstmöglich ein Raumkonzept umgesetzt wird, was den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sowie dem pädagogischen Konzept der Kinderzeit als Bildungsangebot gerecht wird (beim Hort: 3 qm pro Kind).
  • Auch in der Kinderzeit ist – wie bei den anderen Betreuungseinrichtungen – ein Fortbildungs-, Krankheits- und Vertretungskonzept von nöten.
  • Der Übergang vom Kindergarten zur Kinderzeit in der Grundschule muss begleitet werden, es braucht ein Eingewöhnungskonzept.
  • Alles gilt auch für die Ferienbetreuung.

Uns Eltern ist bewusst, dass der Bereich der Bildung und Betreuung im Haushalt groß und teuer ist. Doch es ist wichtig, die bestehenden Rechtsansprüche von Kindern und Eltern zu erfüllen und das Versprechen „Kinder sind unsere Zukunft“ ernst zu nehmen. Es muss in gute Bildungs- und Betreuungsangebote investiert werden, um damit positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft zu nehmen.

Wir sind aus oben genannten Gründen entsetzt, dass im aktuellen Haushaltsplan für 2020 keine ausreichenden Mittel für die Kinderbetreuung und gar Mittel für die Kinderzeit vorgesehen sind und fordern die Verwaltung daher auf, zu diesen Punkten Stellung zu beziehen und den Haushalt dahingehen zu überarbeiten.

Gern stehen wir, der Vorstand des GEB Kita, für weitere Gespräche bereit.

Der Gesamtelternbeirat Kita Radolfzell

Susanne Pantel, Sarah Yalcin, Ivanka Vogt, Annemarie Goldschmidt, Julia Birster, Daniel Facius-Junghans