GEB KITA Radolfzell | Offener Brief an Frau Dr. Eisenmann von 14 GEB Kitas
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Offener Brief an Frau Dr. Eisenmann von 14 GEB Kitas

Offener Brief an Dr. Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg sowie die Abgeordneten des baden-württembergischen Landtags


Baden-Württemberg, 29.04.2020


Sehr geehrte Frau Ministerin Eisenmann,
sehr geehrte Damen und Herren Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete des
baden-württembergischen Landtags,
seit dem 17. März 2020 sind die Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg aufgrund
des Corona-Virus geschlossen. Diese einmalige und in dieser Form noch nie dagewesene
Situation stellt alle vor extreme Herausforderungen. Auch wenn der Schutz der Gesundheit
weiterhin oberste Priorität haben muss, möchten wir mit diesem Schreiben auf die aktuell
kritische Situation der Eltern und vor allem unserer Kinder aufmerksam machen. Diese
haben in den letzten Wochen bereits Beeindruckendes geleistet: Die Eltern haben ihren
Kindern nicht nur erklärt, warum es im Moment besser ist, zu Hause zu bleiben und weder in
den Kindergarten, noch auf den Spielplatz, zu Freunden oder Oma und Opa zu gehen. Sie
haben ihnen auch versucht, neben der Arbeit im Home Office altersgerechte
Alternativprogramme anzubieten und ihnen immer wieder erklärt, warum sie zwar gerade zu
Hause sind, aber trotzdem arbeiten müssen. Dieser Spagat zwischen kindgerechter
Betreuung und Job kostet Kraft, zehrt am Nervenkostüm und belastet auf Dauer.
Trotzdem haben Familien und die Kindertageseinrichtungen in politischen Diskussionen in
den vergangenen Wochen so gut wie keine Rolle gespielt. Kindertageseinrichtungen sind
nicht nur ein Betreuungsort, sondern sie stellen u.a. einen Ort frühkindlicher Bildung, der
Sprachförderung und der kindlichen Entwicklung im sozialen Miteinander dar. Trotz aller
Bemühungen können dies Eltern zu Hause nicht in ausreichendem Maße ersetzen, vor
allem in einer Ausnahmesituation, in der die meisten von ihnen noch parallel im Home Office
produktiv arbeiten sollen. Oder andere um ihre Existenz bangen müssen, da sie gerade
nicht arbeiten gehen können – aufgrund der fehlenden Kinderbetreuung.
Vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien werden durch längere Schließung der
Kindertageseinrichtungen deutliche Nachteile haben: Entwicklungsverzögerungen, wie etwa
die verzögerte Entwicklung des Spracherwerbs, sind schwerwiegende Konsequenzen einer
derart tiefgreifenden sozialen Isolation von Kindern. Jedes Kind hat Anspruch auf eine
adäquate Förderung! Hier darf die Politik nicht länger wegschauen! Die Bedürfnisse und
Rechte der Kinder dürfen in der aktuellen Diskussion nicht vergessen werden!
Wir fordern Sie deshalb auf, den Blickwinkel der Eltern und vor allem der Kinder mehr in den
Fokus zu rücken und Elternvertreterinnen mit entsprechenden Kenntnissen der aktuellen Situationen in den Familien mit ins Boot zu holen. Wir – das sind viele Gesamtelternbeiräte aus Baden-Württemberg – sind gerade dabei, eine Landeselternvertretung der Kindertageseinrichtungen für Baden-Württemberg zu koordinieren und stehen Ihnen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung. Unsere Forderung
an Sie: Nutzen Sie uns und beziehen Sie uns in Meinungsbildungs- und
Entscheidungsprozesse mit ein und geben sie so den Kindern und deren Eltern eine
Stimme.
Folgende Themen haben für die Familien, die wir vertreten, Priorität. Über diese Themen
möchten wir daher mit Ihnen diskutieren:
● Perspektiven für Familien aufzeigen: Sobald wissenschaftliche Ergebnisse zur
Ansteckungsfähigkeit von Kindern vorliegen, müssen Perspektiven bis zur
vollständigen Öffnung der KiTas aufgezeigt werden. Nur so können Familien
Berufstätigkeit und Kinderbetreuung für die kommende Zeit verlässlich planen.
● Regelung für wichtige kindliche Entwicklungsschritte: Kinder, die sich am
Übergang von der Krippe zum Kindergarten oder von der Vorschule zur Grundschule
befinden, müssen vor dem Wechseltermin, also in der Regel vor den Sommerferien,
die Möglichkeit einer “Abschlussphase” mit ihren ErzieherInnen in ihrer
Betreuungseinrichtung haben.
● Frühkindliche Bildung außerhalb der Notgruppen ermöglichen: KiTas sind Orte
der frühkindlichen Bildung. Alle Kinder – unabhängig davon, ob ihre
Sorgeberechtigten einer systemrelevanten Arbeit nachgehen oder nicht – haben
einen Anspruch auf Bildung. Dieser Anspruch kann auch während der Krise für alle
Kinder durch kreative Lösungen (in einem zeitlich reduzierten Umfang und in festen
Kleingruppen) erfüllt werden. Möglichkeiten wären etwa wechselnde Vor- und
Nachmittagsbetreuung, Projekttage außerhalb der KiTa (z.B. im Wald), die Öffnung
von alternativen Räumlichkeiten (z.B. Turnhallen) oder die sofortige Öffnung der
Kindertagespflege, in der es ohnehin feste Kleingruppen gibt.
● Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der Notgruppen legalisieren: Neben der
frühkindlichen Bildung muss auch die Betreuung von Kindern gewährleistet sein,
damit berufstätige Sorgeberechtigte ihrer Arbeit nachgehen können. Auch hier sind
kreative Lösungen gefragt, wie die Legalisierung von privat-organisierten
“Care-Share” Modellen in festen Kleingruppen.
● Einführung von Mindeststandards für die Kontakterhaltung der Einrichtungen
mit den Kindern und Eltern: Kinder dürfen den Kontakt zu ihren ErzieherInnen nicht
vollständig verlieren, auch um die Wiedereingewöhnung so einfach wie möglich zu
gestalten.
● Vollständige Übernahme der KiTa-Gebühren während der Corona-bedingten
Schließung der KiTas durch das Land Baden – Württemberg: Viele Familien
verfügen in dieser Krise über weniger Geld als normal, z.B. aufgrund von Kurzarbeit.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Familien in dieser Zeit für eine Leistung bezahlen
sollen, die sie nicht in Anspruch nehmen können. Das Land muss auch Beiträge
übernehmen, die über den städtischen Beiträgen liegen, solange die Eltern auch in
diesen Einrichtungen keine Betreuung in Anspruch nehmen können. Eine einheitliche
Regelung ist auch zum Schutz von Kommunen und freien, insbesondere kleinen
Trägern wichtig.
● Schließzeiten flexibel gestalten: Viele Eltern haben jetzt in der Corona-Krise ihre
Überstunden und Urlaub zur Betreuung ihrer Kinder aufgebraucht. Deshalb sollte
hier das Land ein Zeichen setzen und den Kommunen alle Möglichkeiten offen
lassen, damit diese zumindest eine Notbetreuung für die Eltern in den Sommerferien
anbieten.
● Spiel- und Sportplätze öffnen: Die Schließung der Spielplätze war zunächst
unumgänglich. Im Zuge der weiteren Öffnung von Geschäften und Lokalen, welche
primär den sozialen Bedürfnissen Erwachsener dienen, sollten auch die Spiel- und
Sportplätze wieder von Kindern genutzt werden dürfen. Diese bieten den Kindern
neben den sportlichen Tätigkeiten auch die Möglichkeit sich in Kleingruppen zu
beschäftigen. Insbesondere Familien ohne eigenen Garten leiden unter den
reduzierten Möglichkeiten Kinder im Freien zu beschäftigen.
● Alternativangebote schaffen: Nicht alle Familien verfügen über einen eigenen
Garten. Um auf öffentlichen Spielplätzen Abstandhalten zu ermöglichen, sollten
kreative Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden, wie etwa die Einrichtung
vorübergehender Spielstraßen.
Bei allen diesen Themen möchten wir einen Platz am Runden Tisch bekommen, um uns als
Elternvertreterinnen an den entsprechenden Entscheidungen zu beteiligen. Wir freuen uns auf ein baldiges Treffen, sei es auch virtuell. Sie erreichen uns unter folgender E-Mail-Adresse: make-bawue@googlegroups.com

Mit freundlichen Grüßen, Elternvertreterinnen der GEBs in Baden-Württemberg