Offener Brief des GEB Kita Radolfzell zum Thema Kita-Neubau in der Hebelstraße
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Staab,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Laule,
laut Aussage der Fachabteilung Kindertagesbetreuung fehlen zur Zeit über 90 Plätze für Kinder im Alter über 3 Jahre in der Kindertagesbetreuung, was für die Familien der Stadt eine Katastrophe ist. Den GEB Kita verwundert diese Zahl leider nicht. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Bedarfsplanung immer weit unter den tatsächlichen Zahlen liegt.
Umso frustrierter sind wir, der GEB Kita sowie die Familien ohne Kita-Platz, dass der Gemeinderat bzw. der Ausschuss Planung, Umwelt, Technik wissentlich der prekären Situation einmal gefasste Beschlüsse zum Neubau der Kita Hebelstraße aufhebt bzw. ändert. Damit werden dringend Benötigten Kita-Plätze verhindert. Der Neubau dieser Kita schafft auf einen Schlag rund 50 neue Plätze und beendet für ca. 20 weitere Kinder das Provisorium im Pfarrsaal Böhringen, bei dem jedes Jahr ungewiss ist, ob der Mietvertrag verlängert werden kann.
Als kurzer Überblick die Beschlüsse des Gemeinderates:
November 2019: Beginn der Diskussion über die kurzfristige Errichtung einer Kita mit ca. 75 Plätzen in der Hebelstraße (und an anderen Standorten) in Modulbauweise (Container). Ziel ist eine Inbetriebnahme im Herbst 2020
Juli 2020: Beschluss für eine dauerhafte, standortgebunde Holzständerbauweise: Inbetriebnahme Frühjahr 2021. Die Verzögerung von 3-6 Monaten im Vergleich zur Modulbauweise wird in Kauf genommen, da man hier davon ausgeht mehr Qualität zum gleichen Preis erzielen zu können, was unseren Kindern zu Gute kommen kann.
Wäre einer dieser Pläne umgesetzt worden, könnten heute 78 Kinder fröhlich in der Kita Hebelstraße spielen. Immerhin waren diese Betreuungsplätze bereits Radolfzeller Familien in Aussicht gestellt. Stattdessen ist folgendes passiert:
Dezember 2020 Beschluss zur Investorenausschreibung für ein kombiniertes Gebäude Kita/Wohnbau: Datum der Inbetriebnahme Ungewiss.
Die Suche nach Investoren war ergebnislos, daher erfolgte im Februar 2021 ein weiterer Beschluss zur erneuten Investorenausschreibung für ein kombiniertes Gebäude Kita/Wohnbau: Inbetriebnahme Ungewiss.
Die Suche nach Investoren war bisher ergebnislos
Auch im letzten PUT Ausschuss ist man immer noch nicht zu einem Ergebnis gekommen, welches eine zügige Einrichtung der Kita ermöglicht. Im Gegenteil, es werden wieder neue Vorschläge besprochen, die dazu führen, dass erst einmal Volumenstudien angefertigt werden müssen. Darauf folgt eine weitere Ausschreibung, deren Ausgang wieder ungewiss ist. Auf uns macht es nicht den Anschein, als ob die gesuchten Investoren Schlange stehen.
Die Inbetriebnahme der Kita rückt damit in weite Ferne. (Zur Erinnerung: sie könnte schon stehen!)
Die Historie dieser Beschlüsse erweckt bei uns den Eindruck, dass die kritische Situation der Radolfzeller Familien nicht gesehen wird – oder schlimmer: bei der Planung keine Rolle spielt. Es scheint, Kinder werden wieder anderen Interessen untergeordnet. Wir finden, dass durch diese fragwürdigen Beschlüsse Gelder, Zeit und Ressourcen verschwendet werden, was der Stadt, den Familien und besonders den Kindern schadet.
Zur Zeit ist es völlig unklar, wann und wie die neue Kita realisiert wird. Durch die hohe Anzahl der fehlenden Plätze bekommen Familien enorme Probleme. In der Regel endet mit Beginn der Kindergartenzeit die Elternzeit. Verpflichtungen am Arbeitsplatz müssen erfüllt werden. Fehlende Kita-Plätze benachteiligen mindestens ein Elternteil (oftmals die Mutter) im Beruf. Folgen sind Arbeitslosigkeit und drohende Altersarmut. Die Auswirkungen für Alleinerziehende sind ungleich schwerer.
Die ganze Diskussion um die Art und Weise des Gebäudes und damit die Verschwendung kostbarerer Zeit, macht auf uns den Eindruck, als würde das Wichtigste nicht gesehen: unsere Kinder. Ihr Recht auf Bildung wird bei diesem Vorgehen offenkundig außer Acht gelassen oder ignoriert. Kinder mit erhöhtem Förderbedarf werden so ins Abseits gedrängt. Von Chancengleichheit in der Bildungsbiografie kann nicht gesprochen werden solange in Radolfzell ein solcher Mangel an Kita-Plätzen herrscht. Sozialkontakte zu anderen Kindern sind in der Entwicklung ebenso wichtig wie die Möglichkeit der Kinder selbständig Erfahrungen zu sammeln und damit zu wachsen – doch ohne Kita-Platz wird ihnen auch diese Möglichkeit genommen.
Nebenbei: Die Kita-Gebühren werden in den nächsten drei Jahren um über 30% erhöht. Weitere Gebührenanhebungen im Bildungsbereich belasten die Familien ebenfalls. Dies trägt im Zusammenhang mit der Ungewissheit um die Kita-Plätze, dem Gefühl das die Kinder permanent übergangen und nicht als wichtiger Teil unserer Gesellschaft gesehen werden, nicht gerade zum Vertrauen in die Stadt Radolfzell als Träger bei.
Diese fatale Situation könnte deutlich verbessert werden, wenn es endlich einen unwiderruflichen und belastbaren Beschluss des Gemeinderates gäbe, die Kita in der Hebelstraße zeitnah zu realisieren. Wenn dieses Hin und Her an Überlegungen, das Umstürzen vormals gefasster Beschlüsse, ein Ende findet.
Nach über 1,5 Jahren in der Diskussion um die Kita Hebelstraße fordern wir Sie nun nachdrücklich auf: Schaffen Sie Fakten zum Wohl der Kinder. Realisieren Sie die dringend benötigten Kita-Plätze nicht erst später, sondern heute. Tragen Sie Verantwortung und geben Sie diese nicht an unauffindbare Investoren weiter. Handeln Sie jetzt!
Für Fragen und Gespräche stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Sie erreichen uns unter info@geb-kita-radolfzell.de
Mit freundlichen Grüßen,
der Vorstand des GEB Kita Radolfzell
Julia Birster, Kevin Morelle, Pratyusha Potturi, Sara Sztemberg, Ivanka Vogt, Sarah Yalcin