GEB KITA Radolfzell | Stellungnahme des GEB Kita zur Erhöhung der Benutzungsgebühren für die Kindertagesbetreuungseinrichtungen zum 1.9.2021, 1.9.2022 und 1.9.2023
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Stellungnahme des GEB Kita zur Erhöhung der Benutzungsgebühren für die Kindertagesbetreuungseinrichtungen zum 1.9.2021, 1.9.2022 und 1.9.2023

Mit dem Grundsatzbeschluss vom 15.12.2020 wurde eine Gebührenerhöhung für die Nutzung der Kindertageseinrichtungen beschlossen.

Der Richtwert des Landes, den Kostendeckungsbeitrag bei ca. 20% anzusiedeln ist längst überholt. Ein Richtwert von 13% wird aktuell diskutiert. Nach unserer Erfahrung ist aber ein Kostendeckungsbeitrag von 10% bis 11% der durchschnittliche Wert in Baden-Württemberger Kitas und somit realistisch.


Zur Zeit können die Kita-Gebühren in Radolfzell noch als annähernd moderat bezeichnet werden. Eine Erhöhung der Elternbeiträge um über 30%, wie sie derzeit vorgeschlagen wird, lässt die Gebühren aber deutlich in die Höhe schnellen. Diese sind, nach Ansicht des GEB Kita, damit dann weit außerhalb eines moderaten Bereiches. Neben den Kita-Gebühren werden auch andere Bildungsangebote teurer: Kinderzeit, Musikschule und über die Hallennutzungsgebühren auch die Vereine. Nicht zuletzt trifft auch die Erhöhung der Grundsteuer besonders die Familien.


Dies steht nicht im Einklang mit einer familienfreundlichen Politik. Den Status einer familienfreundlichen Stadt kann Radolfzell, nach unserer Meinung, mit solchen Belastungen der Familien auf breiter Front nicht mehr für sich beanspruchen. Das dadurch an die Familien gesandte Signal ist verheerend. Kinder scheinen so jeden Stellenwert in der
Gesellschaft zu verlieren. Gerade in Zeiten der Corona-Krise spüren Familien dies leider deutlich. Gegenteiliges wird in der Landeshauptstadt signalisiert: hier sinken die Kita-Gebühren! Dem GEB Kita ist bewusst, dass ein solches Vorgehen in Anbetracht des aktuellen Haushaltes der Stadt unmöglich erscheinen mag, dennoch appellieren wir hier, dieses Vorbild nicht aus den Augen zu verlieren.

Das letzte Jahr hat dem angeschlagenen Haushalt der Stadt zwar Vieles abverlangt, doch haben die Hilfen des Landes und des Bundes auch Radolfzell erreicht und so ist die Stadt mit einem blauen Auge durch das Krisenjahr 2020 gekommen. Dies können viele Familien nicht von sich behaupten. Job-Verlust, Kurzarbeit und Verdienstausfälle durch die fehlende Kinderbetreuung werden die Familien nachhaltig belasten, bis weit über die Krise hinaus.

Vor einigen Jahren hat die Stadt Radolfzell das sozialverträgliche Modell der nach Einkommen gestaffelten Gebühren abgeschafft. Nun dürfen als Maßstab für die sozialeVerträglichkeit der Gebühren nicht die Familien mit hohem Einkommen sondern Familien mit durchschnittlichen Einkommen betrachtet werden.

Ein Beispiel: Nennen wir unsere Musterfamilie (Mama, Papa, 2 Kinder) Müller. Die Beiden Kinder sind 2 und 5 Jahre alt und besuchen jeweils eine Ganztageseinrichtung. Das zweijährige Kind mit 40 Std/Woche das 5 Jährige mit 50 Std/Woche.


Das Durchschnittliche Nettoeinkommen einer Familie mit 2 Kindern in Baden-Württemberg beträgt 3.968 EUR.* Hinzu kommt das Kindergeld in Höhe von 438 EUR (gesamt 4406 EUR)


Kita-Gebühren U3, 40 Std/Woche zur Zeit: 266 EUR
nach Erhöhung innerhalb 3 Jahre um insg. 32,7%: 353 EUR


Kita-Gebühren Ü3, 50 Std/Woche zur Zeit: 175 EUR
nach Erhöhung innerhalb 3 Jahre um insg. 32,5%: 232 EUR


Zur Zeit bezahlt Familie Müller also 441 EUR monatlich für die Kinderbetreuung. Dies sind gut 10 % ihres Monatlichen Einkommens.


Mit einer Erhöhung von ca. 32,6% steigen die Betreuungskosten um 144 EUR auf 585 EUR und somit auf knapp über 13% des monatlichen Familieneinkommens.


Wir sehen also, dass schon die jetzigen Gebühren einen enormen Anteil des Einkommens unserer Musterfamilie ausmachen. Eine Steigerung von 32,6 % ist auch für reale Familien eine nicht zumutbare Belastung.

Durch die geplanten Änderungen an der „Zeller Karte“ erfahren mehr Familien Unterstützung in dem sie u.a. 10% Ermäßigung auf die Kita-Gebühren erhalten. Dadurch würden diese Familien zwar rein rechnerisch im ersten Jahr von der Erhöhung verschont. Doch die jeweils 10% Steigerung in den beiden Folgejahren trifft diese Familien vollumfänglich. Dies steht im absoluten Widerspruch zu der Idee, Familien mit geringerem Einkommen zu entlasten.

Weiterhin wird gerade ein digitales Bestell- und Abrechnungssystems für das Kita-Essen eingeführt. Mit diesem System übernehmen die Eltern den Aufwand für die Essensbestellung, die bisher vom Kita-Personal durchgeführt wurde. Desweiteren sollen die Kosten für dieses Programm ab dem 1.1.2022 von den Familien getragen werden.

Aktuell betragen die Kosten 0,20 EUR je Essen (was im Kita-Bereich ca. 44 EUR pro Jahr und Kind entspricht). Die freie Preisgestaltung von Seiten des Dienstleisters ist aber durch eine Preisgleitklausel im Vertrag festgelegt: mit einer Preissteigerung ist also auch hier zu rechnen. Die Familien entlasten Kita-Personal und Stadtverwaltung, zahlen dafür mit Manpower und neuen Gebühren an den Abrechnungsdienstleister. Die Stadtverwaltung spart in diesem Punkt auf ganzer Linie.

Familien sind in den letzten Wochen zwar ins Bewusstsein der Bundes- und Landespolitik gerückt. Doch darf man nicht vergessen, dass es gerade die kleinen Kinder sind, die unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen. Es wäre fatal, wenn aufgrund der Gebührenentwicklung auch nur ein einziges Kind nicht in einer Kita angemeldet wird. Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht. Es scheint, dass in dieser Diskussion vergessen wird, dass Kitas eine Bildungseinrichtung mit einem klaren pädagogischen Auftrag, der frühkindlichen Bildung, sind. Frei nach dem Satz „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ müssen wir hier dafür sorgen, dass jedes Kind den freien Zugang zu Bildung erhält.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden unterstützen wir auf Landesebene den LEBK in seiner Forderung nach gebührenfreien Kitas. Für die Stadt Radolfzell, fordern wir: Handeln Sie im Sinne der Kinder.


Dem GEB Kita ist bewusst, dass nach dieser langen Zeit der stabilen Gebühren eine Anpassung geschehen soll. Doch eine Erhöhung von über 30% ist ein Hohn für die Familien. Als sozial verträglich und von den Familien zu leisten sehen wir hier eine Steigerung der Elternbeiträge um maximal 10% verteilt auf 3 Jahre.

Es ist uns wichtig, dass die Mehreinnahmen durch die Gebühren ausschließlich den Einrichtungen zu gute kommen. Die permanente Unterbesetzung des pädagogischen Personals, die wenig moderne Ausstattung/Infrastruktur vieler Einrichtungen und nicht zuletzt der andauernde Mangel an Kita-Plätzen macht es schwer eine Gebührenerhöhung zu akzeptieren, wenn nicht im Gegenzug ein Konzept erarbeitet wird, wie die Qualität unserer Kitas verbessert werden kann.

Gern stehen wir, der Vorstand des GEB Kita, bei Fragen und für Gespräche zur Verfügung.


Der Gesamtelternbeirat Kita Radolfzell
Julia Birster, Kevin Morelle, Pratyusha Potturi, Sara Sztemberg, Ivanka Vogt, Sarah Yalcin

  • https://www.statistik-bw.de/Familie/Einkommenslagen/F-NE-m-K.jsp?path=/DatenMelden/Mikrozensus/